Betrachtungen von Paul Thomas.
Ich bin kein geborner Schlettauer. Wer aber über 20 Jahre in dem alten trauten Städtchen lebt und wirkt, der hat sich dort heimisch fühlen gelernt, vor allen Dingen dann, wenn man sich ein Herz bewahrt hat, das empfänglich ist für die Schönheiten der Gebirgsnatur und ein Gemüt, das sich mit den besonderen Eigenarten eines bodenwüchsigen Menschenschlages abzufinden versteht.
Ja, unsere herrliche Gebirgswelt! Wo habt ihr sie draußen wiedergefunden, die ihr der heimischen Erde entflohen seid? Den Wald mit seiner geheimnisvollen Sprache, der Euch so manches Stücklein erzählt aus froher Kinderzeit! Den Wiesengrund mit seinen tausend und abertausend farbenprächtigen Blumentöpfen, die Lenzluft und Sommerglut aus diesem Fleckchen Erde hervorlocken? Die Heide mit ihren weithin leuchtenden goldenen Sternen der Johannisblume? Den Feldrain, den Ihr so oft entlang gegangen seid, wenn’s Heideröslein blühte oder die scharlachroten Hagebutten im sparrigen Geäst Euch anleuchten? Wo findet Ihr draußen das alles wieder? Nirgends ist es so schön wie dort, wo Deine Wiege stand.
Und mag auch die Fremde Dir manches bieten, was Du auf heimatlicher Erde nicht haben konntest, das Neue, und wenn es noch so kräftig zu Dir spräche, vermag die Jugenderinnerungen, die Dich mit der Heimat verbinden, nicht zu übertönen.
Die Heimat ist für jeden das irdische Paradies. Und Dein Schlettau? Ich kann mir nicht denken, daß einer von Euch im fernen Lande die inneren Beziehungen zum alten lieben Städtchen abgebrochen hätte. Dann wäre Dir die Heimat nie etwas gewesen, wenn Du nicht in Deiner Seele einen unwiderstehlichen Zug nach dem Zschopaugrunde spürtest, durch den muntere Gebirgsbäche ihre silberglänzenden Bänder gelegt haben. Nach den Höhen, die mit ihren Wäldern Dich zur Beerenernte einluden – – aber auch nach dem Städtchen selbst, das der Schauplatz Deiner Kinderlust war und mit dem Dich Erinnerungen aus der goldenen Jugendzeit verknüpfen, die mit Zahlen nicht gemessen werden können.
Nun höre! Die alte liebe Schläte ruft alle ihre Kinder zusammen! In alle Welt hinaus ist der Ruf ergangen. Sie will Euch alle wieder einmal sehen, Euch alle wieder ans Herz drücken und mit Euch fröhlich sein. Heimatfest! Welch ein Zauberklang! Ja, ich vernehme es deutlich, wie Euer Herz jubelt. Euer Auge leuchtet und das frohe Bekenntnis ringt sich aus Eurer beglückten Brust:
Schlettau, du Stadt meiner Lieben, Du siehst mich zum Heimatfeste wieder!
Schlettauer Heimatblätter. 1. Jahrgang, Nr. 1 v. 15. September 1925, S. 1