Von Gottfried Thomas, Brandenburg.
Der Zufall spielte mir unlängst die August-Nummer des „Glück auf“ in die Hände, in der ich eine kurze Abhandlung über den letzten Postillion auf der Postlinie Annaberg – Schwarzenberg fand. Als eifriger Briefmarkensammler hat das Postwesen von jeher mein lebhaftestes Interesse in Anspruch genommen, und so kam es, daß ich mir die Unterlagen zu verschaffen suchte, um den Lesern der Heimatblätter auch einmal etwas von der Entwicklung unserer Postanstalt erzählen zu können. Wir werden aber, bevor wir auf unsere örtlichen Verhältnisse zu sprechen kommen, erst einige Anmerkungen allgemeiner Natur machen müssen, um zu sehen, wie dieses wichtige Verkehrsinstitut nach und nach aus den Bedürfnissen der Zeit herauswächst.
Lange, bevor von einem geregelten Beförderungsdienst in irgend einer postmäßigen Form die Rede sein kann, geschah die Verkehrsvermittelung durch den Menschen selbst. Das war nicht nur der Fall zu der Zeit, als man lediglich auf den mündlichen Gedankenaustausch angewiesen war, sondern auch noch im Anfang jenes Zeitabschnittes, wo man die Gedanken durch Handschreiben zu übermitteln anfing. Daß nun aber mit dem wachsenden Bedürfnis nach schnellerer und zuverlässigerer Nachrichtenvermittelung der Fußbote dem Absender nicht genügend Gewähr für prompte Ausführung des Auftrages mehr bieten konnte, liegt auf der Hand. Die Mächtigsten der Politik und der Finanzen führten darum einen Wechselbotendienst ein, den wir Modernen von heute nur noch vom Sportplatz her kennen: die Staffel. Das war nun freilich ein kostspieliges Unternehmen. Bei der damaligen Beschaffenheit der Wege vermochten die Läufer lange nicht die Leistungen zu vollbringen, die unsere Staffelläufer in den Turn- und Sportvereinen zuwege bringen. Sie mußten sich ja auch durch Hieb- und Stichwaffen vor eventuellen Ueberfällen zu sichern wissen, und deshalb waren die Staffelläufer mit dem nötigen Gewaff ausgerüstet, das ihnen natürlich im schnellen Fortbewegen hinderlich war. Aus demselben Grunde war auch ein größeres Aufgebot von Läufern notwendig, da eine Ermüdung des einzelnen Läufers viel schneller eintrat.
Alle diese Unzuträglichkeiten führten dann zur Einstellung von reitenden Boten. An Schnelligkeit der Beförderung wurde damit zweifellos gewonnen, nicht aber an der Sicherheit, denn die Wegelagerer hatten es in erster Linie auf die reitenden Boten abgesehen, bei denen sie nicht nur Briefe, sondern auch Wertsendungen vermuteten. Aus diesem Grunde vertrauten in früherer Zeit viele ihre Brief- und Geldsendungen den reisenden Kaufleuten an, die ja zumeist unter dem Schutze der Behörden reisten, von Burgsassen das Geleit erhielten und infolgedessen unbehelligt ihres Weges ziehen konnten. Die Schlettauer Heimatblätter haben es bereits erzählt, daß auch unser Schlettauer Schloß mit einem solchen Auftrag belegt war und daß unsere Burgmannen den durchreisenden Kaufleuten im Mittelalter das Geleit geben mußten. Der Verkehr auf der uralten Handelsstraße, die von Mitteldeutschland über das Gebirge nach Böhmen führte, war sehr lebhaft, und Schlettau bildete mit seiner Burg einen ausreichenden Stützpunkt für die umfangreichen Verkehrsbewegungen auf jener bedeutsamen Handelsstraße.
Auf den Gedanken, die Nachrichtenvermittelung als selbständigen Botendienst zu organisieren und so eine schnellere und sichere Beförderung zu erzielen, kam erst ein Edelmann von Mailand. Der Chronist sagt hierüber: „Als Kaiser Maximilian I. (1493 – 1519) in seinem Hoflager zu Wien immer mehr die zwingende Notwendigkeit einsah, mit seinen Erblanden eine schnellere und sichere Verbindung zu unterhalten, erbot sich der am Hofe lebende Edelmann Franzesko von Tassi, genannt Torriani, die kaiserlichen Briefe aus dem Hoflager nach den Niederlanden kostenfrei zu befördern, wenn ihm und seinen Nachkommen der ausschließliche Besitz und die gesamten Einkünfte der neuen Beförderungsanstalt zugesichert würden. Diese Zusicherung wurde denn auch im Jahre 1516 erteilt, zugleich gab auch der Kaiser, ohne erst eine Einrede der Fürsten und Reichsstädte abzuwarten (durch deren Gebiet die künftige Botenstraße gehen sollte), seine Genehmigung dazu, daß die reitenden Boten des Tassis ohne Ansehung der territorialen Sonderrechte ihre Straßen von Wien bis Brüssel ziehen konnten. Diese Botenritte bewegten sich von Wien aus über Augsburg, durch Württemberg, über das Hochstift Speyer, über Kreuznach und durch das Bistum Lüttich nach Brüssel. Diese Einrichtung bewährte sich und fand deshalb bald Nachahmung. König Ludwig XII. von Frankreich (1498 – 1515) nannte die reitenden Boten „Postes“, und so bürgerte sich allmählich auch in Deutschland der Name „Post“ ein, der durch die Ernennung des Franz von Tassis zum Postmeister der Niederlande seine urkundliche Festlegung gewann.
Die Tassi-Torriani, die später ob ihrer Verdienste um die Post in den Fürstenstand erhoben wurden und sich bald das Geschlecht derer von Thurn und Taxis nannten, leiteten nun lange Zeit die deutsche Post, die sie – wohl mehr aus geschäftlichen Interessen als aus Erkenntnis ihrer kulturellen Wichtigkeit – bald auf das ganze Reich ausdehnten.
In Kursachsen hatte das Taxis’sche Postwesen erst im Jahre 1616 festen Fuß gefaßt. Die Wirren des 30jährigen Krieges aber setzten bald darauf allen geordneten Postzuständen ein Ziel und führten sogar vorübergehend zur teilweisen Besetzung der Postämter mit schwedischen Postmeistern. Nachdem im Jahre 1637 Leipzig von der schwedischen Besatzung geräumt worden war, begehrte der Graf von Taxis die Wiedereinführung seiner Posten. Der Kurfürst Johann Georg erachtete jedoch die Zeit für gekommen, seine landeshoheitlichen Rechte zu wahren und verweigerte die Wiederzulassung. Bei dieser Weigerung blieb es auch, als nach dem Frieden von Münster und Osnabrück (1648) Taxis sein Ansinnen wiederholte. Ein Erlaß vom 17. Dezember 1681 erklärte das Postwesen in Sachsen für ausschließlich landesherrliches Regal.
Wir werden in einem zweiten Artikel nun zu zeigen haben, wie sich in landesherrlicher Regie die Post in Kursachsen entwickelt und wie dann auch Schlettau zu seiner Postexpedition kam.
Schlettauer Heimatblätter. 2. Jahrgang, Nr. 2 v. 15. Oktober 1926, S. 7 – 8.