Eine geschichtliche Studie von Schuldirektor Paul Thomas.
7. Fortsetzung.
Die Vorboten der Reformation in Schlettau.
Wir Schlettauer könnten eigentlich in diesem Jahr das 400jährige Jubiläum der Einführung der Reformation feiern. 1527 hatten wir nämlich den ersten evangelischen Prediger in unserer Stadt: Balthasar Loy. Loy stammte aus Salburg. Er hatte schon vorher, ehe er nach Schlettau kam, in Schwatz in Tirol im Sinne Luthers gepredigt, war auch Luthers Beispiel gefolgt, indem er sich mit Rosa von Koppstein, der Witwe eines gewissen Peter Rommel vermählte.
Loys Tätigkeit in Schlettau scheint aber nur von kurzer Dauer gewesen zu sein; er konnte es hier vor den Drangsalierungen des katholischen Pfarrers nicht aushalten, der ein fanatischer und grober Mensch war und dem lutherischen Amtsbruder das Leben und Wirken unerträglich sauer machte. Loy gab seine Stelle in Schlettau auf und ging nach Wittenberg, um weiter zu studieren. Alles Zureden Luthers, nach Schlettau zurückzukehren, schlug fehl. Als D. Balthazar loi Saltzpurgen wurde er am 14. Januar 1528 in Wittenberg immatrikuliert.
Luther bestellte zu seinem Nachfolger einen gewissen Johann Caper, gebürtig zu Deggendorf in Bayern, in der Nähe von Passau. Caper war auch Student bei Luther gewesen und erfreute sich des Vertrauens des Reformators. Am 25. Mai 1528 traf Caper in Schlettau ein. Er wurde vom Rate aufs freundlichste empfangen, machte bald darauf seine Aufwartung beim Abte zu Grünhain, der ja Patron der hiesigen Pfarrstelle war, und ging mit wittenbergischem Eifer an sein geistliches Amt. Loy hatte seinen Nachfolger nach Schlettau begleitet, um ihn hier einzuführen.
Aber auch Caper mußte sehr bald merken, daß er in Schlettau nicht auf Rosen gebettet war. Er fand keine passende Wohnung. Die Mehrzahl der Einwohner waren Landwirte, die keine Zeit hatten, für Mittag- und Abendbrot zu sorgen. Und so hielt er Umschau nach einer Jungfrau, mit der er ein eigenes Heim gründen wollte, um eine feste Basis für sein schwieriges Amt zu gewinnen. Als er im Sommer in Wittenberg war, wollte ihm Luther eine Frau verschaffen. Die vom Reformator empfohlene gefiel jedoch dem jungen Prediger nicht, und so kehrte Caper enttäuscht nach Schlettau zurück.
Aber viel schlimmer als der Mangel einer eigenen Häuslichkeit waren die Unzuträglichkeiten im Amte. Der katholische Pfarrer Valentin Barthel besann sich bald wieder auf seinen Fanatismus und suchte, auch den neuen lutherischen Prediger wieder hinauszudrängen. „Wie ein brüllender Löwe, mit Drohungen und unflätigen Schimpfworten wütete er gegen den jungen lutherischen Geistlichen“, der sich schließlich gezwungen sah, beim Abte von Grünhain Schutz zu suchen. Der Rat der Stadt hatte auch gedroht, daß er beschwerdeführend bis zum Kurfürsten gehen würde, wenn Barthel fortführe, seinen lutherischen Amtsbruder zu schikanieren. Der Abt von Grünhain hakte auch ein. Caper bekam vorderhand Ruhe, und da er mittlerweile auch eine Jungfrau gefunden hatte, die nach seinem Herzen war, so schien sich seine Lage immer besser zu gestalten. Am 31. August 1528 hatte er Hochzeit gefeiert. Zwickauer Freunde waren zugegen. Sonnenschein lag auf dem neugegründeten lutherischen Predigerhause. „Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ewger Bund zu flechten, und das Unglück schreitet schnell.“
Barthel hatte ungeachtet der äbtlichen Verwarnung im Stillen weiter gegen seinen Amtsbruder gewühlt und gehetzt. Bald nach dem Einzuge Capers in sein Heim drang Barthel mit einer Rotte aufgewiegelter Schlettauer in das Haus Capers ein, schlug alles kurz und klein, plünderte und zerstörte, was ihm unter die Hände kam, und zerriß Capers Bücher, an denen der schaffensfrohe Geistliche mit seiner ganzen Seele hing. Dieser unsinnige Handstreich des katholischen Pfaffen erregte den größten Unwillen der lutherischen Partei im Städtel. Der Rat nahm den Valentin Barthel gefangen und brachte ihn auf das Schloß nach Zwickau, wo dem Barthel der Prozeß gemacht werden sollte. Wie die Untersuchung ausgefallen ist, wissen wir nicht. Die Akten schweigen sich darüber aus. Barthel kehrte aber nach einiger Zeit nach Schlettau zurück. Im Januar 1529 wurde in Schlettau Kirchenvisitation gehalten. Barthel schnitt dabei sehr schlecht ab. Er erhielt die Zensur „fast ungeschickt“. Dagegen merkt das Visitationsprotokoll bei Johannes Bock von Deckendorff in Bayrn an „geschickt“.
(Johannes Bock ist kein anderes als unser Johann Caper. Die studierten Leute pflegten damals ihren Familiennamen zu latinisieren, d. h. sie setzten an Stelle des deutschen Namens die lateinische Uebersetzung. Nun heißt aber „Bock“ im Lateinischen „Caper“.)
Caper ging bald darauf von Schlettau nach Beierfeld bei Schwarzenberg, wo er bis zum Jahre 1543 wirkte. Als er starb, hinterließ er eine trauernde Witwe und sieben unerzogene Kinder.
Nach Capers Weggange kam Balthasar Loy wieder nach unserm Gebirgsstädtchen. Am 28. Januar 1529 trat er zum zweiten Male in Schlettau sein geistliches Amt an. Die Visitatoren fanden ihn immerzu als „geschickt“ und „wohlgeschickt“, auch mit dem katholischen Pfarrer scheinen keine Reibereien mehr vorgekommen zu sein. Aber zwischen Loy und Caper entspann sich in der Folgezeit eine recht unliebsame Kontroverse. Nach der ersten Visitation, bei der Barthel, wie wir gesehen hatten, sehr schlecht abgeschnitten hatte, hatte ihn der Rat der Stadt zur Amtsniederlegung gezwungen. Er wurde sozusagen zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Zur „Abfertigung“, d. i. Pensionierung des alten katholischen Pfarrers hatte Loy 80 Goldgulden vorgestreckt. Der Rat verpflichtete sich in dem Visitationsprotokolle von 1533, diese 80 Goldgulden in 8 Raten (jährlich 10 Gulden) an Loy oder seine Erben zurückzuzahlen. Das nahm Caper (in seinem Briefwechsel mit Magister Roth in Zwickau) zum Anlaß, dem Balthasar Loy „Pfründenjägerei“ anzuwerfen und ihm andere unlautere Motive unterzuschieben. Gegen diese Unterstellung und Verdächtigung erhebt Loy in einem Briefe an Roth energisch Widerspruch. „Ich will mit meinem Gelde dem heiligen Evangelium kein solches Aergernis geben“, schreibt er entrüstet.
Loy verließ Schlettau bald nach der zweiten Visitation. Von 1534 bis 1539 war er Diakonus in Wittenberg, und nach der Einführung der Reformation wurde er Pfarrer an der Thomaskirche in Leipzig. Dort ist er auch 1545 gestorben.
Die Reformation wurde in den herzoglichen Ländern erst nach dem Tode Georgs des Bärtigen eingeführt, weil dieser — einer Kirchenverbesserung selbst nicht abhold — nicht wollte, daß die Reformation von einem Mönche ausging. Nach seiner Auffassung müßte ein solches Werk von obenher in die Hand genommen werden.
So wurde also auch in Schlettau im Jahre 1539 die Reformation durchgeführt, nachdem schon über 12 Jahre hier im Sinne und Geiste Luthers ein geistliches Amt verwaltet worden war.
Vergleiche hierzu: „Zur Reformationsgeschichte von Schlettau“ von Otto Clemen in Zwickau. Beiträge zur Sächsischen Kirchengeschichte, herausgegeben von Dibelius und Brieger. 18. Heft. Leipzig 1905. Bei Johann Ambrosius Barth.
Schlettauer Heimatblätter. 2. Jahrgang, Nr. 8 v. 20. April 1927, S. 6 – 7.