Eine geschichtliche Studie von Schuldirektor Paul Thomas.
(8. Fortsetzung.)
Die Grünhainer Schenkungsurkunde vom Jahre 1533.
In den letzten Jahren des Klosterregimentes ist noch eine Urkunde ergangen, die für die geschichtliche und wirtschaftliche Entwicklung Schlettaus von außerordentlicher Tragweite gewesen ist. Es ist die Urkunde, in welcher Abt Johannes von Grünhain der Gemeinde Schlettau den Raum und das Gehölz am Stockholz übereignet. Wir sind bei unserer Wanderung durch die Geschichte unserer Vaterstadt schon des öfteren auf dieses belangreiche Schriftstück gestoßen, das als wertvollster Urkundenschatz in unserm Ratsarchiv aufbewahrt liegt, wohingegen viele andere Urkunden, vor allen Dingen auch die älteren, fast ausnahmslos im Hauptstaatsarchiv in Dresden untergebracht sind. Bei Gelegenheit des Heimatfestes wird die Grünhainer Schenkungsurkunde in der Heimatausstellung mit ausgelegt werden, wir wollen heute aber auf den Inhalt etwas näher eingehen.
Die Urkunde beginnt: „Wir Johannes Abt zum Grünhain mit diesem unserm offenen Briefe segnen jedermann, die ihn sehen, hören oder lesen, und tun kund öffentlich für uns und alle unsere Nachkommen, daß wir aus besonderer Gunst und geneigtem Willen unsern lieben getreuen Bürgermeister, Rat und ganzen Gemeinde zu der Schletten auf ihr untertänigstes Ansuchen und Bitte den Raum und das Gehölz am Stockholz — von dem Fahrwege an bis hinab an den Bach, und hiervorne anfangend bis hinten an die Rote Pfütze, wo der Weg nach Elterlein durch das Wasser gehet (welches zuvor zu unserm Schlosse gehört hat) — zur Notdurft ihrer Viehtrift, deren sie in Mangel gestanden, zu ehrlichem Gebrauch verliehen habe.“
Johannes (Göpfert) war der letzte Abt von Grünhain. Nach der Auflösung des Klosters zog er nach Schlettau. (Siehe den besonderen Artikel in dieser Nummer der Heimatblätter!)
Der unserer Stadt und Einwohnerschaft wohlgesinnte Abt gesteht dann weiter den Bürgern — gleich ob arm oder reich — die Berechtigung zu, daß sie, allerdings auf vorheriges Ansuchen, nach Schadenfeuern ungehindert Bau- und Schindelholz aus den äbtischen Wäldern am Bärenstein entnehmen dürfen.
Es wird dann weiter urkundlich festgelegt, daß den Schlettauern in ihrer Gemarkung das Jagdrecht (nur die Hasenjagd!) zusteht, und die Aburteilung der sogenannten „Niedergerichtsfälle“ wird, wie das schon von altersher hier Brauch war, der Stadt überlassen. Niedergerichtsfälle sind solche Vergehen und Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, die auch heute noch der Polizeigewalt des Bürgermeisters zur Aburteilung und Bestrafung überwiesen sind. Die Urkunde zählt besonders auf: Kandelwürfe, Messerzüge, Maulschläge und Bloßraufen.
Gerade diese vier niederen Gerichtsfälle lassen das „gesellschaftliche“ Leben der mittelalterlichen Zeit in einer eigenartigen Beleuchtung erscheinen. Es muß ein rauflustiges Geschlecht gewesen sein, das damals hier hauste. Besonders in den Gasthäusern mag es oft recht „gemütlich“ zugegangen sein. Kandel ist der zinnerne Bierkrug, der bei Wirtshausstreitigkeiten eine beliebte Waffe war. In den Bergmannskneipen und den berüchtigten Paßstraßenherbergen scheint es sehr oft zu widerlichen Auftritten gekommen zu sein, wo die Bierkrüge nur so um die Köpfe herumflogen. Messerstechereien (Messerzüge, Messerzücken), Ohrfeigen (Maulschläge) und Raufereien (Bloßraufen, bei denen die Kleider vom Leibe gerissen wurden) scheinen zur Tagesordnung gehört zu haben. Das darf uns aber nicht allzusehr verwundern. Die Urkunde ist ergangen zu einer Zeit, wo der reiche Bergsegen die Köpfe und Gemüter etwas aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Die trinkfesten Bergleute und die straßenharten Salzfuhrknechte und anderes fahrendes Volk erhitzten sich bei dem vorzüglichen Schlettauer Bier sehr leicht, so daß die anfängliche Biergemütlichkeit nur zu rasch in die wüstesten Wirtshausszenen ausartete. Daß den Polizeiorganen das Recht zustand, hier sofort strafend einzugreifen, war ein Gebot der Notwendigkeit. Die auferlegten Bußen — und das war wohl das Wesentlichste — flossen in den Stadtsäckel. Wenn man einen solchen schweren zinnernen Bierkrug in die Hand nimmt — auf dem Rathaus stehen noch mehrere — so überläuft einen ein gelindes Gruseln, wenn man sich vergegenwärtigt, daß damals einer dem anderen mit einer solchen nicht ungefährlichen Waffe seine Meinung „kopffällig aufzuoktroieren“ suchte. Das war der „rauhe, herzliche Ton“, der in den mittelalterlichen Tagen in den Wirtshäusern am Wege herrschte! Ja, die gute alte Zeit!
Sehr eingehend beschäftigt sich die Urkunde sodann mit der Fischereiberechtigung in den heimischen Fischwässern. Das Fischereirecht wird danach den Schlettauern zugestanden in der Zschopau von der Böhmischen Brücke an bis hinauf zur Walthersdorfer Gemeinde und im Rosenbach. Allerdings sollen nur der Bürgermeister und der Rat das Fischereirecht in den erwähnten Gewässern ausüben dürfen. Der Abt behielt sich aber vor, daß ihm jedesmal, wenn er nach Schlettau käme, ein Gericht „Vhoren“ d. i. Forellen kredenzt würde.
Gegeben ist die Urkunde, die mitunterschrieben ist von einer Reihe Ratsherren, zu Grünhain Donnerstag am Tage Corporis Christi nach unseres lieben Herrn Jesu Christi und Seligmachers Geburt Tausend fünfhundert und im dreiunddreißigsten Jahre.
Schlettauer Heimatblätter. 2. Jahrgang, Nr. 9 v. 18. Mai 1927, S. 1 – 2.