Gesammelt von Carl Klubescheidt.
Dämmerung zieht über unser schönes Gebirgsstädtchen. Hier und da erglänzen die ersten Lichter. Bürger und Bürgerinnen wurden früher besser bewacht, als es heute der Fall in unserm Schlettau ist. Zu gewohnter Stunde wurde die Stadt „von oben“ kontrolliert und beruhigt konnte jeder sein Tagwerk beschließen. Der Turmwächter Filigut kam seinen Pflichten in jeder Weise nach, das werden alle alten Schlettauer wissen. Diensteifrig wachte er über alle Gefahren. Da – sah er richtig? – am Himmel zeigte sich ein Schein böser Ahnungen, ein Schein, der für Augenblicke sein menschenfreundliches Herz stillstehen ließ? Richtig, es war kein Zweifel mehr, hinter den Wolken kam der Schein zum Durchbruch: Feuer! – Feuer in der Richtung gegen Buchholz! Er überzeugte sich, es kann nur Cunersdorf sein. Schnell entschlossen, das bekannte Sprachrohr zur Hand nehmen und das ruhige und friedliche Städtchen hört dröhnend seine Stimme: In Cunersdorf ist Feuer! In Cunersdorf ist Feuer! Blitzschnell erwacht der Ort ob solcher Schreckenskunde. Leben wird im ganzen Orte. Feuer! Alles rüstet sich, im Dienste der Nächstenliebe seine Pflicht zu tun, Aufregungen, Fragen, Lärmen! Scharfen Auges steht Filigut auf seinem Posten, schaut aus nach dem Orte des Unglücks. Eine Wolkenwand macht ihm viel zu schaffen, er kann das Ziel nicht richtig erkennen. Immer mehr bohren sich seine Augen in die Himmelsrichtung, da – – ist’s möglich? – wirklich – der aufgehende Mond hat ihm einen bösen Streich gespielt, während das Städtele in heller Aufregung sich befindet. Da, pflichteifrig wie er war, nimmt er sein Sprachrohr wieder zur Hand: Es ist nicht wahr, es ist nicht wahr, der Mond hat mich getäuscht! So hallt es wieder über den Ort und die Bürger begaben sich, erleichtert ob der Abwendung eines Unglücks, wieder zu ihrer verdienten Ruhe.
Bei mir flackert die Lampe, die beiden alten Schlettauer, die ich mir bestellt hatte, die mir so manche herrliche Erinnerung erzählt haben, haben noch vieles auf dem Herzen, und ich weiß, daß sie mir manches noch erzählen können und werden, was diesen Blättern einverleibt werden muß. Sind es doch die alten Originale, die durch solche Erzählungen wieder lebendig werden und Zweck der Heimatblätter ist es, solche Fäden heimatlicher Erinnerung und Liebe aufrechtzuerhalten und die weiteren Nummern werden darüber wiederum berichten. Heimat, dieses Wort weckt in der Fremde Heimweh, und wenn ich diese Zeilen schreibe, dann soll damit dem begegnet werden, was der Dichter des Liedes uns sagte:
Mir fiel das Fernsein nicht so schwer,
Wenn die Erinn‘rung nur nicht wär‘.
Schlettauer Heimatblätter. 1. Jahrgang, Nr. 2 v. 15. Oktober 1925, S. 6 – 7