Von Lehrer Hans Thomas, Großrückerswalde.
2. Die Bauernrevolte 1525.
Luthers Schrift: „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ war in verschiedenen Kreisen des Volkes falsch verstanden worden. Besonders die unter der Leibeigenschaft schwer seufzenden Bauern hatten aus dem Buche des Reformators ein Evangelium der Erlösung vernehmen wollen, und so kam es, daß sich, in Süddeutschland namentlich, der Unwille der Bauern zu regen anfing und der aufrührerische Geist bald nicht mehr im Zaume gehalten werden konnte. In 12 Artikeln stellten Sie ihre Forderungen auf: sie wollten nicht mehr Hörige, Lite, Lassen, sondern freie Männer sein; die Frondienste sollten aufhören und ebenso die Belastung der Güter und die Hutungsrechte. Die Gemeindeäcker, Wiesen und Wälder sollten an die Gemeinde zurückgegeben werden, Jagd und Fischerei frei sein.
Da die Bauern nicht durch Verhandlungen zu ihren Zielen kamen, suchten sie mit Gewalt ihre Forderungen durchzusetzen. Der berüchtigte Bauernaufstand brach aus, der wohl eine der trübsten Zeiten der deutschen Geschichte darstellt. Auch unser Erzgebirge wurde damals wieder in Mitleidenschaft gezogen. Und zwar kam die Sache so:
In Zwickau hatte – wohl zunächst unabhängig von den süddeutschen Bauern – Thomas Münzer, ein Prediger an der St. Katharinenkirche daselbst, durch Flugschriften und Hetzreden die Köpfe der kleinen Leute verwirrt gemacht. Er fand bald bedeutenden Anhang, und Wanderprediger sorgten dafür, daß die Ideen in kurzer Zeit weit und breit herumgetragen wurden. Anfangs lehnte sich der sonderbare Apostel nur gegen Pfaffentum und Mönchswesen auf, späterhin wetterte er aber auch gegen Papst und Luther, gegen die Obrigkeit, gegen jede Autorität. Münzer gab vor, er wolle die Menschen weiter im Geist zu Gott führen. Dieses Weiterführen bestand darin, „daß man den Leib casteien und martern, mit Fasten, mit schlechter Kleidung, wenig reden, sauer sehen, den Bart nicht abschneiden solle.“ Er lehrte, daß alle Güter gemein sein sollen. Wer ein Korn oder ein Tuch von Nöten habe, der solle sichs nur von den Reichen nehmen, und wo ein Reicher nicht gutwillig es hergeben wolle, solle man es mit Gewalt ihm abnehmen.
Nachdem Thomas Münzer durch den Herzog aus Sachsen verwiesen worden war, suchte er die Bauernschaft in Thüringen und Franken aufzuhetzen, „Sie brauchten keine Furcht vor den Edelleuten und Fürsten zu haben“, sagte er, „wenn es zum Kriege käme, würde er alle „Büchsensteine“ in seinem Aermel auffangen.“ In der Schlacht bei Frankenhausen am 25. Mai 1525 schlug ein vereinigtes Heer unter Landgraf Philipp von Hessen, Herzog Heinrich von Braunschweig und Herzog Georg von Sachsen die aufrührerischen Bauern, nahmen den Thomas Münzer gefangen und enthaupteten ihn.
Aber schon vor dem blutigen Tage von Frankenhausen kamen verschiedene Bauern, in der Hauptsache aber Bergleute aus der Mansfeldischen Gegend nach dem Erzgebirge und suchten die Stimmung ihres heimischen Aufruhrgebietes nach dem Gebirge zu verpflanzen. War ihnen etwa der Boden unter den Füßen daheim zu heiß geworden, oder fühlten sie einen Aposteldrang in sich, die neue Weisheit im sächsischen Berglande zu verkünden? Es war im April 1525, als diese Aufrührer bei Elterlein auftraten. Sie fanden unter den Bergleuten und den verbitterten Bauern nur zu leicht Gehör, und im Handumdrehen hatte sich ein Haufe von 1500 Mann zusammengefunden, der Miene machte, das von Thomas Münzer gepredigte neue Zeitalter durch Gewalt herbeizuführen. Der Abt von Grünhain war noch zur rechten Zeit mit den Klosterinsassen nach Annaberg entkommen, aber da auch Annaberg von dem Geiste des Aufruhrs erfüllt war, so wurde der Abt in befreundeten Häusern versteckt gehalten.
Die bei Elterlein gesammelten Aufrührer gingen nun zum Angriff über. „Macht und Reichtum der seitherigen Herren muß zerstört werden“, das war ihr Kriegsziel, das sie mit einem unheimlichen Fanatismus zu erreichen suchten. Sie traten den Vormarsch auf Annaberg an. Der erste Stoß der Rebellen traf unser Schlettau. Es war am 25. April – der Tag ist ein schwarzer Tag in der Geschichte unserer Stadt –, da stürmten die Unholde auf das Städtchen ein. Die Stadttore wurden zerschlagen, die Mauern, wo sie dem Einbruch hinderlich waren, niedergerissen, und nun begann ein Plündern und Wüten, wie es zügelloser und unmenschlicher nicht gedacht werden kann. Die Feder sträubt sich noch heute, die Schandtaten und Grausamkeiten aufzuzählen, die Schlettau an jenem Tage über sich ergehen lassen mußte.
Zuerst überfielen sie das Schloß. Es war furchtbar, wie sie hier hausten. Aber noch viel schlimmer erging es der Pfarre. Hier wurde alles in kurz und kleine Stücke zerhauen, die heiligen Bücher zerrissen und die Gefäße als Beute mit weggeschleppt. Unterdessen wüteten andere Haufen in den Bürgerhäusern. Die Leute wurden auf die Straße geschleppt, die Wohnungen total ausgeraubt. Was des Mitnehmens nicht wert war, wurde zertreten und auf die Straße geworfen. Dabei betranken sich die entmenschten Horden bis zur Besinnungslosigkeit und scheuten in der Betrunkenheit auch nicht vor unsittlichen Gewaltakten zurück, die sie an den Frauen und Jungfrauen verübten. Wer nur den geringsten Widerstand wagte, wurde erbarmungslos niedergestochen. Die Bürgerschaft war machtlos und mußte untätig zusehen, wie die Verbrecher diese Frevel verübten, und wer weiß, was Schlettau damals noch erlebt hätte, wenn nicht auf das falsche Gerücht: „Der Herzog kommt!“ die Rebellen plötzlich ihrem Zerstörungswerk Einhalt geboten und sich schleunigst aus dem Staube gemacht hätten.
Von Schlettau gings nun nach dem Kloster Grünhain. Dort war aber wohl schon ein anderer Haufe Aufrührer eingefallen, der von Zwickau gekommen war und auf dem Wege bereits allerhand Untaten verübt hatte. Das schöne Kloster zu Aue war auf das Roheste zerstört, die Filialkirche des Grünhainer Stifts in Raschau niedergerissen worden.
Bald war auch Königswalde, Mildenau, Arnsfeld und viele Dörfer bei Marienberg und Wolkenstein in hellem Aufruhr. Alle Schuld rächt sich auf Erden! Kurfürst Johann zog mit einem Heer gegen die Rebellen und hielt in Zwickau strengstes Gericht. Herzog Georg aber eilte nach Annaberg, führte den Grünhainer Abt wieder in sein Stift zurück, worauf er die Anführer des Aufruhrs köpfen oder aufhängen ließ. Besonders streng verfuhr der Fürst mit den Richtern der soeben genannten Dörfer des Kreises Annaberg und Marienberg, die den Aufstand begünstigt und Pfarrer und Adlige vertrieben hatten. Sie wurden geköpft, der Rückerswalder und Geringswalder aber in Wolkenstein gespießt. Ihre Güter wurden eingezogen, viele andere zu schweren Geldstrafen verurteilt.
Unsere Stadt aber brauchte lange Zeit, um die Schäden zu heilen, die die aufrührerischen Bauern in Schlettau verursacht hatten. Es war ein Glück, daß die Regierung fest zugriff, nur dadurch konnte sich die ungeheure Erregung legen, die die Bevölkerung des ganzen Gebirges erfaßt hatte.
Schlettauer Heimatblätter. 1. Jahrgang, Nr. 5 v. 15. Januar 1926, S. 6 – 7